Um einen Auflagendruck zu reklamieren, müssen Proof und Auflagendruck miteinander verglichen werden. Zuallererst muß der Proof kontrolliert werden, ob er für den Papiertyp des Auflagendrucks die Voraussetzungen als Kontraktproof nach der jeweils aktuellen Norm, heute die ISO 12647-7:2016 erfüllt. Ein visueller Vergleich von Druck und Proof auf Basis der ISO erfolgt mit weißer Unterlage und D50 Normlicht. Über die richtige Unterlage beim Abmustern und für Kontrollmessungen gab es in der Fachöffentlichkeit früher oft rege Diskussionen. Mehr zu dem Thema finden Sie hier. Das D50 Normlicht nach ISO 3664:2009 sorgt für einheitliche Beleuchtungsbedingungen, da Digitalproofs auf Offsetdruck auf wechselnde Lichquellen jeweils unterschiedlich reagieren.
Kleinere Abweichungen zwischen Auflagendruck und Proof sind unvermeidlich. Die Frage ist nun, wie groß die Abweichungen sein dürfen, auf deren Basis eine Reklamation Erfolg haben kann. Für die Beurteilung der Unterschiede ist eine Farbmessung auf dem Druckbogen und evt. auf dem Proof notwendig.
Farbmessung auf dem Druckbogen und dem Proof
Bei der Farbmessung auf dem Druckbogen kann diese im Druckkontrollstreifen oder auf einer gleichmäßigen Farbfläche im Motiv erfolgen.
Hat die Druckerei vom Druck keinen Belegbogen mit Druckkontrollstreifen zurückgelegt, so kann Sie nicht belegen, daß sie innerhalb der Standard-Vorgaben gedruckt hat. Dies schwächt deutlich die Position der Druckerei in der Auseinandersetzung.
Ist ein Druckkontrollstreifen vorhanden, so können auf diesem die Färbungen der Volltöne und der Druckzuwachs gemessen werden können. Die Sollwerte und Toleranzen für den Druckzuwachs finden Sie hier. Sie basieren auf der internationalen Norm ISO 12647 sowie dem Handbuch „ProzessStandard Offsetdruck“, welches Mitgliedern der Landesverbände Druck und Medien zur Verfügung steht und dort auch bezogen werden kann.
Eine weitere Möglichkeit der Beurteilung eines Druckbogens besteht darin eine definierte Farbe im Druckbogen und auf dem Proof mit einem Spektralfotometer auf schwarzer Unterlage zu vermessen. Je nachdem ob es sich um eine reine Farbe oder Mischfarbe handelt, sind die Toleranzen anders gesetzt. Eine genaue Anleitung findet sich in der Broschüre „CIELab-Schwankungen für den Auflagendruck und den Prüfdruck“, die ebenfalls für Mitglieder der Landesverbände Druck und Medien zur Verfügung steht.
Qualitätskontrolle und Colormanagement in der Agentur
Spektralfotometer sind heutzutage verhältnismäßig preiswert geworden und lassen sich mit der richtigen Software neben der Qualitätskontrolle für Proof und Andruck auch für die Erstellung von Farbprofilen für Monitore und Drucker einsetzen. In Verbindung mit einer Schulung durch einen Berater, der gemäß den Richtlinien MedienStandard Druck und ProzessStandard Offsetdruck arbeitet, kann eine Agentur sowohl ihr eigenes Equipment farbkalibrieren als auch eine Qualitätskontrolle bei Proofs und Auflagendrucken vornehmen.
Druck-Reklamation ohne vorherige Proofs
Können auch „fehlerhafte“ Drucke bei einer Druckerei reklamiert werden, wenn vorab keine Proofs gemacht und somit der Druckerei keine Proofs für den Druck zur Verfügung standen? Hier ist eine Reklamation sicher deutlich schwieriger, denn – so sagt ein altes Gutachter-Sprichwort: „Wenn keine Proofs erstellt wurden, kann die Qualität bei der Produktion keine wichtige Rolle gespielt haben.“ Auf der anderen Seite muss aber ein „schlechter“ Druck dadurch nicht automatisch zu tolerieren sein. Und wichtig ist ja auch das Motto: Problem erkannt, Problem gebannt.
Jeder erkannte Fehler bei einer Druck-Produktion ist eine Sicherheit mehr bei der nächsten Produktion.
Spezialisten wie Jan-Peter Homann von homann colormanagement oder Matthias Betz von der Proof GmbH können mit ihrem Know-How auch dabei unterstützen, Fehler in der Farbmanagement-Kette von Photoshop und Illustrator über InDesign und ggf. Acrobat Distiller bis zur Druckdaten-PDF nachzuvollziehen und Fehlverarbeitungen zu identifizieren. Waren die Bilder in Photohop mit Farbprofilen versehen, wurden diese in InDesign erkannt oder ignoriert, mit welchen Einstellungen wurde die PDF Datei erstellt und Bilder bei diesem Prozess möglicherweise gewandelt, und wie waren die Bilder dann in der Tiefe der PDF-Datei eingebettet? Oft fehlt hier von Seiten der Agenturen, Verlage und Druckereien das Detailwissen und die nötigen Tools, um solche Prozesse nachvollziehen zu können. Ist der „fehlerhafte“ Druck aber auf einen Fehler in der Farbmanagement-Kette zurückzuführen, dann kann diese Fehlerkenntnis zukünftig ein Mehr an Sicherheit in der Produktion bieten.
Matthias Betz erinnert sich an eine schlecht gelaufene Produktion eines Kunstbuches, das im Gegensatz zum chinesischen Originalbuch anstelle von Bilderdruck auf Naturpapier gedruckt wurde, und da Verlag, Layout und Druck in unterschiedlichen Ländern stattfanden trotz bestem Willen aller Beteiligten die Produktion des Buches nicht zufriedenstellend war. Zwar hatte die Druckerei die richtige Richtung zur Umwandlungen der Daten von Coated nach Uncoated gegeben, der Verlag die Daten auch vermeintlich umgewandelt, aber anstelle eines echten Umhebens von Coated nach Uncoated waren die CMYK-Separationen unverändert geblieben und hatten nur eine neue „Uncoated“-Auszeichnung erhalten. Da keine Proofs erstellt wurden, konnte dieser Fehler nicht entdeckt werden. Zudem druckte die Druckerei leider – wiederum auch aufgrund fehlender Proof-Referenzen – nicht normkonform etwas zu dunkel und zu rötlich. Zwei Einzelfehler, die aber in Summe zu einem nicht zufriedenstellenden Ergebnis führten.
„Da Verlag und Druckerei schon oft zusammengearbeitet hatten stand bei dieser Fehlersuche nicht die Reklamation oder eine Kostenübernahme im Vordergrund, sondern die gemeinsame Fehlersuche aller Beteiligten. Mit überschaubarem Aufwand konnte so eine Sensibilität bei allen Beteiligten für die Schwierigkeiten bei solch komplexen Farbverarbeitungen geweckt werden, so daß Fehler in Zukunft schnell erkannt und durch Proofs vor dem Auflagendruck ausgeschlossen werden können“, so Matthias Betz. „Auf Basis dieser Erkenntnisse können alle Beteiligten so Ihre eigenen Fehler erkennen und sich kompetent und partnerschaftlich über Kostennachlässe oder Neudruck einigen.“